Sonntag, 17. November 2013

Runaway - 15 - Die Fouciers und der Nektar

Zu Littles Erleichterung war es überhaupt kein Problem, Interviewpartner zu finden, denn die Menschen hier waren sehr Hilfsbereit. Henry Fouchier zum Beispiel schaute seinem Vater und seiner Schwester beim Frisbeespielen zu und ließ sich gerne aus der folgenden Langeweile reißen, als sie ihn Ansprach. Sie verstand sich auf Anhieb mit dem Jungen und er brachte ihr ein Lied aus seiner Heimat bei, bevor er sie seiner Famillie vor stellte. Mit Eveline, seiner Mutter, verstand sie sich zwar nicht so gut, aber letztlich liess sie sich doch überreden und sie musste allen versprechen, mit ihnen in Kontakt zu bleiben.

Schon gegen Mittag hatte sie genügend Material für ihr Referat gesammelt und folgte nun Evelines Empfehlung, das örtliche Nektargut zu Besuchen. Ein Traubenhain lud dazu ein, ein paar Beeren zu probieren und im Hauptgebäude war es angenehm kühl, aber sie fühlte sich auch etwas verloren. Schließlich fand sie heraus, dass sie im unteren Stockwerk Nektar verkosten konnte und so probierte sie drei verschiedene Sorten aus, fühlte sich dann aber etwas komisch und rannte zur Toilette, um sich zu übergeben. Nachdem sie sie sich den Mund ausgespült hatte, ging es ihr etwas besser und seltsamerweise fühlte sie sich auch irgendwie beschwingt, und so erkundete sie das Gut weiter.

Bald kam sie zu einem Raum, der zwar wohl nicht für die Öffentlichkeit gedacht, aber auch kaum gesichert war und neugierig, wie Little war, ließ sie es sich nicht nehmen auch dort einen Blick hinein zu werfen. Neben einer alten Nektarpresse fand sie dort einen Brunnen, der früher dem ganzen Gut als Wasserquelle gedient haben musste. Im Nachhinein hätte sie nicht mehr sagen können, was sie geritten hat, doch sie wollte es ganz genau wissen und so sprang sie in den Brunnen - vielleicht verbargen sich da ja noch mehr Geheimnisse? Sie fand jedoch keine geheimen Gänge, keine goldenen Schätze, keine verschollenen Artefakte, aber eine Flasche Nektar, die einmal in den Brunnen geplumpst sein musste. Statt reich war sie nun Pitschnass aber als sie die Flasche genau betrachtete, stellte sie fest, dass sie über 1000 Jahre alt war. Immerhin ein sehr hübsches Souvenir. Nass, wie sie nun war wollte sie so schnell wie möglich nach Hause, doch die Verkäuferin hielt sie auf.



"Was ist denn mit dir passiert, du bist ja Klatschnass?"
Little druckste herum, doch dann erzählte sie ihr die Geschichte vom Brunnen. Die Verkäuferin musste lachen, doch als sie sich wieder beruhigt hatte, gab sie Little eine interessante Anregung:
"Wenn du so auf Abenteuer aus bist, habe ich einen Tipp für dich. Frag mal bei Jolene Montaque, der Besitzerin vom Krämerladen im Dorf, nach. Sie sucht schon seit ein paar Tagen jemanden, der etwas abenteuerliches für sie erledigen soll. Sag ihr ruhig, dass ich dich geschickt habe."

Die Idee klang gar nicht schlecht. Am liebsten wäre sie sofort dort hin, denn im Augenblick fühlte sie sich, als könnte ihr nichts etwas anhaben, doch sie musste sich wirklich erst einmal zu Hause umziehen.

Mittwoch, 13. November 2013

Runaway - 14 - Frankreich

Sie holte tief Luft und genoss den Geruch von frisch gemähtem Gras und Kräutern in der Luft. Für sie war es der Duft von Freiheit, denn nun konnte sie vereisen, wie sie wollte. Die Plastiktüte hatte mehr enthalten, als sie erwartet hatte.

Am nächsten Morgen in der Schule sprach sie sich mit Frau Cook ab. Sie würde die kommenden drei Tage vom Unterricht befreit, während denen sie nach Frankreich fuhr um dort für das Referat Einheimische zu interviewen. Die Reise selbst kostete sie etwa die Ernte eines Tages und so war es wirklich kein Problem mehr. Nachdem sie die Reise in der Mittagspause an einem der Schulcomputer buchte, loggte sie sich danach in das Forum ein, und tatsächlich meldete sich ihr Retter noch einmal.

"Ich habe das Päckchen erhalten", tippte sie.
"Ich weis, ich habe dich vom Fenster aus Beobachtet."
"Welchem Fenster?"
"Nun, die Fabrik ist nicht so ungenutzt, wie sie aussieht *G*".

Irgendwie machte sie das nervös.

Sie kramte in ihrer Tasche und nahm den Reisepass in die Hand, in dem gefaltet eine Geburtsurkunde und sogar ein Mofaführerschein steckten.
"Das war mehr, als ich erwartet hatte," schrieb sie, " als du 'Papiere' sagtest, dachte ich, du würdest nur einen gefälschten Ausweis meinen."
"Jetzt bin ich aber beleidigt", kam es zurück, und gerade als sie sich etwas erschrak, erschien ein zwinkerndes Smiley.
"Die Papiere sind nicht gefälscht, die sind waschecht. Wir haben unsere Freunde bei der Stadt, und so konnten sie dir eine echte Identität geben."
"So aus dem nichts heraus?"
"Ich denke nicht, aber wir vermeiden es im Allgemeinen, über Details zu sprechen."
"Das einzige, was mich etwas stört, ist der vietnamesische Name, ich sehe doch gar nicht Vietnamesisch aus?"
"Glaub mir, du siehst Vietnamesischer aus, als die meisten Nguyens, die ich kennen gelernt habe."

Sie bedankte sich noch einmal bei ihrem, immer noch anonymen, Kontakt und musste dann auch schon wieder zum Unterricht, und noch am selben Abend nahm sie sich ein Taxi für das Flugzeug, dass sie nach Frankreich bringen würde.

Es war das erste mal in ihrem Leben, dass sie mit dem Flugzeug flog, doch trotz ihrer ersten Aufregung schlief sie die meiste Zeit, und so war sie, nachdem ein weiteres Taxi sie zum Hotel gebracht hatte, hellwach. Trotzdem fühlte sie sich etwas schwach. Ihr Zimmer hatte nicht viel zu bieten und das Wetter war perfekt, als erkundete sie das Dorf und spürte, wie dabei ihr Kreislauf wieder auf Touren kam.

Noch einmal atmete sie tief durch die Nase ein. War das Basilikum?

Sonntag, 3. November 2013

Runaway - 13 - Peters Fall

Er hing mir nach, dieser Fall. Das Kind von den Kims. Nachdem ich so große Töne gespuckt hatte, dass sich beinahe schon das nahe liegende Opernhaus wegen der Ruhestörung beklagte, fand ich nichts, gar nichts. Das einzige, was ich den Kims versprechen konnte, war es, unentgeltlich und regelmäßig zu überprüfen, ob ich etwas herausfand.

Es wurde mir zur Gewohnheit, die Suchanfragen durchzugehen und die Bots im Hintergrund werkeln zu lassen, während ich am Rechner meine anderen Aufgaben erledigte. Ich wollte mir gerade einen weiteren Saft bestellen - ich sah den "Ferris Bueller" mittlerweile als mein Büro - als plötzlich ein Fenster aufsprang. Einer der Suchbots hatte bei der Flugsicherungsbehörde einen Treffer bei den isometrischen Daten. Würde dieser Makel endlich von der langen Liste meiner Erfolge getilgt?

Aufgeregt wuselten meine Finger über die Tasten. Über die Behörde fand ich den Namen, den Start und den Zielflughafen heraus, und von dort aus würde ich ich weiterkämpfen. Zwar stellte sich schnell heraus, dass der Name nicht der war, den mir die Kims gegeben hatten, aber es war ja gut möglich, dass sich die Tochter hinter einem anderen versteckte. Doch die Recherche zeigte schnell, dass dies hier nicht der Fall war. Bian Nguyen aus Brideport war die Tochter Vietnamesischer Einwanderer, in unserem Land geboren und mit Erwähnungen in Berichten über Schulbällen und ähnlichem aus der Zeit, bevor die Kims hier ankamen wurde ziemlich klar, dass dies nicht die Tochter der Kims sein konnte.

Verärgert fasste ich einen Entschluss und griff zum Telefon.

Freitag, 1. November 2013

Runaway - 12 - Oh prickelnde Vorfreude

Der Schultag war schnell rum, denn sie legte sich mächtig ins Zeug. Wohl gerade weil sie so viele Sachen beschäftigten, dass sie froh war, diese mal für ein paar Stunden völlig verdrängen zu können. Würde das heute Abend mit dem Container klappen? Auch Bronson ging ihr nur schwer aus dem Kopf und dann war da auch noch das neue Spielzeug, dass sie nun unbedingt ausprobieren musste. Schnell fand sie ein paar Spiele, die ihr enormen Spass bereiteten.

Als sie erst einmal genug gespielt hatte, war bereits wieder eine Stunde vergangen. Die Freizeit an Schultagen war immer arg beschränkt. Sie ging in den Park, sammelte Blumen ein und machte auf einer Parkbank Hausaufgaben, dann nahm sie sich zusammen und radelte zu dem ganz besonderen Container. Und tatsächlich fand sie zwischen einigen Dingen, von denen sie gar nicht wirklich wissen wollte, was es wohl war, die mit einem aufgemalten Smiley gekennzeichnete Plastiktüte. Ihr Internetkontakt hatte also Wort gehalten. Schmutzig wie sie war, widerstand sie der Versuchen, die Inhalte gleich genauer unter die Lupe zu nehmen und machte sich ein Spiel daraus, ihre Vorfreude noch weiter hinaus zu zögern, aber da sie eh schon von oben bis unten Stank, durchsuchte sie noch ein paar weitere Container und fand einige einfache Möbel und Dekorationen. Wahrscheinlich war jemand umgezogen und hatte nicht alles mitnehmen wollen. Nichts davon gefiel ihr wirklich und sie verkaufte alles so schnell sie konnte, um endlich heim und unter die Dusche zu kommen. Mittlerweile war es schon ganz schön spät.

Doch zu Hause angekommen bestaunte sie erst einmal das Haus. Die Baumarktleute mussten sie wirklich mögen, denn der Ausbau war erstklassig durchgeführt. Oben waren nun erst ein Raum, der später unterteilt würde und ein Balkon über der Terrasse war für zukünftige Ausbauten vor bereitet. Noch war im ganzen oberen Stock nichts anderes als ihr neues Bett, aber das würde sich sicher bald ändern. Der unangenehme Geruch, der ihr anhaftete, riss sie aus ihrer Bewunderung und sie ging endlich ins Haus um so schnell wie möglich zu Duschen, denn nun hielt sie es kaum noch aus vor Spannung.