Donnerstag, 6. März 2014

Sims 3 , ein Casual Game (Gelegenheits-Spiel)?

Als Causal Game bezeichnet man Spiele, die man eben mal nebenbei spielt, in einer Pause im Büro (Farmville, Die Sims Freispiel) oder während man auf den Bus wartet (Angry Birds, Flappy Birds, Tetris usw).

Wie irgend jemand auf die Idee kommen kann, Sims 3 als Casual Game einzustufen, geht über mein Verständnis hinaus. Doch genau das scheinen viele zu tun, wie der bekannte Spielekritiker Yatzee hier:


Interessant fand ich auch, wie sehr er auf dem Punkt herum ritt, das Sims als "Frauenspiel" gilt und wie er sich als Mann fast schämen muss, zuzugeben, dass er es überhaupt spielt. Natürlich steht bei Yatzees Kritiken immer die Satire im Vordergrund, aber Satire überzeichnet die Realität und erschafft sie nicht aus dem Nichts.

Welche Art von Spiel ist "Die Sims 3" nun eigentlich? Ironischerweise ist es keine Simulation, dafür ist immer noch zu Abstrakt, auch wenn Fans gerne von einem People Simulator (einer Leutesimulation) sprechen. Was es tatsächlich ist, ist ein Rollenspiel (je nach Spielweise eher ein Western-, oder Japaneese RPG). Niemand käme auf die Idee, Morrowind (der dritte Titel der Elder Scrolls Reihe, deren jüngster Spross, Skyrim, zumindest fast jedem bekannt sein dürfte) als Casual zu bezeichnen. Alle typischen Spielelemente sind da: Dungeons (zumindest mit Reiseabenteuer, aber ich zähle die Erweiterungen als Komponenten eines ganzen Spiels), Charakterentwicklung, Quests (Herausforderungen). Spielt man einen einzelnen Sim, entspricht es einem WRPG, spielt man eine vorgegebene Famillie, einem JRPG und dazwischen kann man sich so ziemlich jede Mischform anpassen. Gerade in Sims 3 ist noch ein anderes Element sehr stark mit eingewoben; das Sandbox Spiel - ein hoher Gad an Freiheit und die Möglichkeit, die Umwelt fast beliebig zu gestalten (wie z.B. bei Minecraft oder Gnomoria).

Warum habe ich als Vergleich Morrowind und nicht das aktuellere Skyrim heran gezogen? Interessanterweise hat sich die Ausrichtung der Reihe stark verschoben. Morrowind war bei weitem nicht so Kampforientiert wie Skyrim, wo der Kampf das zentrale Spielelement zu stellen scheint. Und mein Verdacht, warum Leute auf die Idee kämen, Sims 3 sei ein Casual Game, ist, dass heutzutage oft nur Spiele, bei denen Kämpfe oder Schlachten im Mittelpunkt stehen, als vollwertige Spiele betrachtet werden. Und noch ein weiterer Verdacht kam mir, vor allem nachdem ich diese Folge von Extra Credits, einer Serie für Spieleentwickler, gesehen habe:


Hier erzählt der Autor, dass er, ein bekannter Experte zum Thema Spiele, ein ganzes Genre übersehen hat. Und während er laut darüber nachdenkt, bemerkt er, dass es an der Zielgruppe liegt: Das Genre, sogenannte Hidden Object Games, richtet sich vor allem (u.a. durch die Auswahl der Protagonisten und Geschichten) an Frauen. Und so wie ich das sehe, sind diese Art von Spielen eine Art Nachfolger der frühen Grafik-Adventure-Spiele, deren verschwinden so oft beklagt wurde.

Ich versuchte, alles, was ich hier gerade schrieb in einem fragenden Kommentar zum ersten Video zu formulieren:
"Someone really needs to explain to me how Sims 3 is casual. Because more women play it and all that women play is casual? Because it contains no combat?"
Also: "Irgendjemand muss mir mal erklären, wieso Sims 3 als Gelegenheitsspiel gilt. Weil mehr Frauen es spielen und alles was Frauen spielen ist ein Gelegenheitsspiel? Weil es keinen Kampf enthält?" (letzteres stimmt ja eigentlich nicht mal, es gibt ja Sim Fu und Prügeleien)

Statt einer sinnvollen Diskussion erntete ich allerdings einen Shitstorm, der an die Reaktion auf Anita Sarkeesians Webserie erinnerte.

Ein Exponat als Beispiel:

"You are an arrogant stuck up cunt, you need to pull your head out of your arse because what you're doing is called sexism, you're abusing the community and making BULLSHIT claims and when people call you on it, you get all angry at them as if you're in some sort of moral high ground. We don't hate you because you're a women, we hate you because you don't do research but still claim to know things and act like a massive fucking CUNT."

Also: "Du bist eine arrogante verbohrte Fotze, du solltest deinen Kopf mal aus dem Arsch ziehen denn was du tust nennt man Sexismus, du missbrauchst die Community und machst Schwachsinnsbehauptungen und wenn Leute dich darauf hinweisen, wirst du wütend auf sie als wenn du auf einer Art moralischem Podest stehen würdest. Wir hassen dich nicht weil du eine Frau bist, wir hassen dich weil du nicht recherchierst und trotzdem behauptest, dinge zu wissen und benimmst dich wie eine extreme, verfickte Fotze."

Wie bei Sarkeesian bleibt es bei Ad Hominem Attacken, denn die eigentlichen Argumente waren so ziemlich aus der Luft gegriffen, und der (instinktiven?) Einstufung als Casual nachgerichtet:
- Man kann einfach weggehen und das Spiel laufen lassen.
Jupp, wie z.B. bei Far Cry 3, Grand Theft Aufto 3 bis 5 usw...
- Man kann nicht verlieren.
1. Das kann man in den meisten Spielen, die als Casual bezeichnet werden, es ist also kein typisches Kriterium
2. Man muss schon eine Menge ignorieren, um es nicht als Verlieren zu betrachten. Wahrscheinlich ist nur wieder eine Variante des Kampfes: Verlieren ist, wenn die Spielfigur stirbt. Wirklich verlieren kann man aber eigentlich kaum noch in einem modernen AAA Titlen (Spiel von einem grossen Studio produziert) weil "sterben" kaum bestraft wird.

Ich selbst spiele jede Menge Spiele, und eine grosse Bandbreite. In den letzten Monaten habe ich z.B. Dishonored, Bishock Infinite, Far Cry 3 und Contrast durchgespielt. Ich habe schon in den 80ern Spiele auf dem C64 gebastelt, also wenn mir irgendwer erzählen will, ich sei nicht ausreichend gerüstet (a ka "a real gamer") oder wie im Kommentar oben, ich hätte keine Recherche betrieben (die Extra Credits Referenz ist ja auch Allgemeinwissen über das man automatisch stolpert), macht sich nun mal lächerlich.



Aber ein paar Argumente habe ich auch noch gar nicht gebracht. Bioshock Infinite und Far Cry 3 sind First Person Shooter, Dishonored ein Schleichspiel, dass aber auch mit sehr agressivem Kampf gespielt werden kann. Contrast dagegen hat einen weiblichen Protagonisten, einen weiblichen Deuteragonisten und es gibt keinen Kampf im Spiel (Genretechnisch ist es ein Plattformer). Die Siedler Serie, sehr beliebt im Europäischen Raum nutzt "Schlachten" nur um den Level zu beenden, oder in kleinem Rahmen, während der Aufbau der Wirtschaft im Vordergrund steht. Diese Spiele kommen bei anglosaxischen (vgl: TVTropes American Kirby is Hardcore )  Spieletestern eigentlich immer schlecht weg, werden aber von den Spielern immer recht hoch bewertet ( Quelle: Metacritic.com ). Obwohl Kampf bei Dishonored eigentlich dem Spielprinizip als Schleicher entgegensteht und eher für ein Versagen steht, denn ist man entdeckt worden, muss man sich freikämpfen, wird in der Werbung auch fast ausschliesslich das Kampfelement hervor gehoben:



Dieser Kampf-Fokus zieht sich also massiv durch die Branche. Und während Yatzee unter dem Mantel des satirischen / zyischen Stils immerhin dazu steht, sind sich die meisten dessen wahrscheinlich gar nicht bewusst. Um noch einmal die Brücke zum erstgenannten Video zu schlagen. Gegen Ende meint Yatzee, dass Sims als Spiel das personifizierte Böse ist, schlimmer als Spiele wie Manhunt (man spielt einen Serienmörder), weil es einem zum Sklaven der Sims mache. Da hat aber jemand die Lektion aus Bioshock nicht gelernt, wenn es die vierte Wand durchbricht und den Spieler damit konfrontiert, dass er die schlimmsten Abscheulichkeiten gemacht hat: Einfach nur weil das Spiel es so verlangt hat. Bioshock ist sehr linear, in Sims 3 dagegen ist der Spieler so frei wie er will. Hatte Loki doch recht?