Freitag, 18. Oktober 2013

Runaway - 5 - Alltag?

Sie war wohl die einzige Besucherin des Fitnesscenters, die kein Angestellter zu einem Abonement überreden wollte. Auch nachdem sie sich wieder frisch fühlte, hielten andere entweder Abstand oder ignorierten sie vollkommen. Nun, sie wollte auch nicht wirklich auf ein Laufband, wenn sie eh den ganzen Tag zu Fuss unterwegs war und so steuerte sie die Bibliothek an. Bislang ihr liebster Platz in ganz Brdigeport, hatte sie hier doch Zugang zum Internet. Doch bevor sie sich wieder in den Chat stürzte, lass sie noch ein Kapitel in dem Buch über das Fischen, obwohl sie das nun wohl gar nicht mehr nötig haben würde.
Wenn sie morgen wieder so viel Glück mit den Wildblumen hatte, würde sie vorerst auf das Mülltonnentauchen verzichten, aber so war sie doch froh, dass sie vom Erlös der anderen Dinge noch einen weiteren Stuhl und einen Tisch kaufen konnte. Sie hatte nun etwas, das sie schon so lange vermisste, dass es ihr schon nicht mehr real erschien. Ein eigenes Zuhause. Und ein Kühlschrank, in dem sie jederzeit leckere Snacks bereithalten konnte. Es war eine glückliche und erholsame Nacht, auch wenn ihre Augen nach wie vor tränten. Ihre Pollenallergie war nicht besser geworden, und vor dem Kontakt mit den Pollen würde sie sich nicht drücken können, wenn sie zum hauptberuflichen Blumenkind wurde.
Den nächsten Morgen genoss sie sehr, da sie in Ruhe ein Müsli unter dem eigenem Dach frühstücken konnte, ehe sie ihr Tagewerk bestritt und tatsächlich warteten im Park schon wieder ein paar frische Blumen auf sie. Nicht ganz so viele wie gestern, aber mehr als genug. Wenn sie so die Stelleninserate im Anzeigenblatt durch sah, gewann sie den Eindruck, dass sie mit ein-, zwei Stunden Blumenpflücken am Tag mehr verdiente als Erwachsene mit einem "richtigen" Job. Und sie war sich nun auch ausreichend sicher, dass diese Quelle, zumindest bis zum Winter, nicht so schnell versiegen würde. Deshalb gönnte sie sich am heutigen Tag auch einen grossen Luxus und besuchte das Krankenhaus ("Meine Eltern sind während der Öffnungszeiten immer bei der Arbeit.") um ihre Allergie behandeln zu lassen. Und tatsächlich konnten sie ihr helfen. Welch eine Erleichterung. Und noch einen weiteren Luxus gönnte sie sich: Sie kaufte sich ein paar Bücher für zuhause. Nicht dass sie die Bibliothek nicht mehr sehen wollte, im Gegenteil. Doch die Zeit da wollte sie lieber für das Internet nutzen und sie würde auch nie ausreichen um ihren ganzen Wissensdurst zu stillen, den sie so lange vernachlässigen musste. Ein wenig traurig dachte sie auch daran, dass die Bibliothek ein schlechter Ort ist, um gleichaltrige Kennen zu lernen. Selbst im Park traf sie kaum einen an. Tags durch waren sie ja alle in der Schule, und diese war für sie ja ausser Reichweite, ohne Papiere. Sie kannte das Klischeé, andere wären froh, wenn sie keine Schule besuchen müssten, aber die Realität, ihre Realität sah wirklich anders aus.

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